Ich hatte sie in den vergangenen Tagen schon ein paarmal durch mein Arbeitszimmer huschen sehen.
Es gibt von dort aus, über die Waschküche, einen direkten Zugang zum Garten, und unter dieser Tür ist ein schmaler Spalt. Durch den muss sie hereingelangt sein.
Ich habe nichts gegen Mäuse, aber ich wollte auch nicht erleben, dass einer unserer Kater ihr begegnet, der sehr wohl etwas gegen Mäuse hat. Und so ganz ohne Hintergedanken wird sie auch nicht in unser Haus gekommen sein.
Während ich gestern vertieft in meine Arbeit am Schreibtisch saß, vernahm ich im Augenwinkel, dass wieder etwas vorbeiflitzte. Die Maus war also in meiner Nähe.
Als ich noch überlegte, ob ich es wohl schaffen würde, sie mit einem Trinkglas einzufangen, lief sie über meine Füße.
Und das hielt ich bereits für zutraulich … Ich überlegte, wie meine Mutter wohl darauf reagiert hätte. Kein Mensch hatte soviel Angst vor Mäusen wie sie. Ich habe sie als Teenager mal geschockt, indem ich mir eine weiße Maus zulegte. Sie hatte aber auch Angst vor Katzen. Mochte sie Tiere überhaupt?
Was dann passierte, hätte meine Mutter wohl nicht überlebt. Die Maus kroch in mein rechtes Hosenbein. Mein erster Impuls war, das Bein panikartig auszuschütteln. Aber dann würde der kleine Nager ja einfach wieder seinen unheilvollen Geschäfte in unserem Haus nachgehen. Nun hatte ich ihn ja quasi schon eingefangen.
Ich änderte die Strategie, hob mein rechtes Bein an, um es nicht bewegen zu müssen und hüpfte auf meinem linken Bein den relativ weiten Weg bis auf die Terrasse.
Währenddessen krabbelte die Maus sogar noch höher.
Und noch ein Stückchen höher.
Endlich war ich draußen, endlich schüttelte ich mein Bein aus. Das brachte allerdings gar nichts. Die Maus schien sich dort, wo sie war, länger aufhalten zu wollen (halten Mäuse Winterschlaf?) und hielt sich gut fest.
Es blieb mir nichts anderes übrig. Ich zog meine Hose aus.
In einer Falte saß eine Spitzmaus und lief immer noch nicht weg. Ich nahm sie in die Hand. Unfassbar, wie niedlich sie war! Und sie vertraute mir mehr, als es unsere eigentlichen Haustiere taten. Unter einem Stapel Holz entließ ich sie in die Freiheit. Erst dann fiel mir ein, dass sie wahrscheinlich hungrig war. Ich legte ihr ein Stück Banane vor die Höhle (den Rest aß ich selbst).
Während das alles passierte, lag der Kater ahnungslos auf dem Sofa neben meinem Schreibtisch und schlief.